Douglas DC-3: Der Rosinenbomber wird 80 (2024)

Viele hatten Stunden auf diesen Augenblick gewartet, und als er endlich kam, gab es kein Halten mehr: Kaum hatten die Räder aufgesetzt, stürmten rund 7000 begeisterte Menschen das Rollfeld von Rockhampton, Australien. So wie an etlichen anderen Orten.

Denn diese silbern glänzende, "Kyilla" getaufte Douglas DC-3, über deren Australien-Rundflug die Zeitungen des Landes lückenlos berichteten, war für das weiträumige, menschenleere Land weit mehr als nur das größte und schnellste Passagierflugzeug der Welt. Seit Airlines of Australia 1935 angekündigt hatte, zwei dieser technischen Wunderwerke importieren zu wollen, hatte sich die Aufregung darüber in ungeahnte Höhen aufgeschaukelt.

Denn "Kyilla" versprach nicht weniger als den Beginn einer neuen Zeit und ein verändertes Leben. Mehr Menschen würden sich in ungeahnt beschleunigter Weise über große Distanzen bewegen können. Entfernungen würden schrumpfen, Städte und Landesteile zusammenrücken. Und das nicht mehr nur für Eliten, sondern für viele: Hatte die US-Luftfahrtbehörde nicht prognostiziert, dass sich durch diesen Flugzeugtyp die Zahl der Passagiere in Jahresfrist verfünffachen würde?

Ein Gigant unter Doppeldeckern

Kein Wunder, dass sich der Flugplan der "Kyilla" "durch undisziplinierte Schaulustige" immer wieder verschob, wie am 20. Dezember 1937 der "Townsville Daily Bulletin" berichtete: "Viel Schäden gab es nicht, obwohl eines der hinteren Positionslichter abhandenkam und viele der Schaulustigen die Neigung zeigten, ihre Namen mit Taschenmessern ins Metall zu ritzen."

Metall!

Allein das war eine Revolution: Mitte der Dreißigerjahre waren auch Stoff und Holz noch gängige Baumaterialien für Flugzeuge. Die meisten Passagierflieger waren Doppeldecker und im Vergleich Zwerge. "Menschen sehen winzig aus neben dem glänzenden Körper des neuen Douglas DC-3 Airliners", staunte am 18. Dezember 1937 der australische "Mercury".

Die DC-3, 1935 vorgestellt, beeindruckte die Menschen zutiefst. Nicht allein, da sie ihnen gigantisch erschien: "Sie ist auch der letzte Schrei in Sachen Komfort in der Luftfahrt", schwärmte der "Townsville Daily Bulletin". "Die geräumige und gemütliche Kabine bietet Raum für 21 Passagiere, dazu noch für eine Stewardess."

Wenn vom Auftraggeber gewünscht, wurde die DC-3 sogar mit Liegen statt Stühlen ausgeliefert. Sie hatte praktisch alles zu bieten, was man sich damals an Luxus vorstellen konnte. Druckkabine und Schallisolation gehörten allerdings nicht dazu: Noch war die zivile Luftfahrt ein Erlebnis, das Trommelfelle permanent knacken ließ.

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Auch heute noch ist die Faszination der Maschine, die den Durchbruch der Passagierluftfahrt brachte, ungebrochen: Nach wie vor ist die DC-3 das meistgebaute Passagierflugzeug der Geschichte. Bis 1945 produzierte Douglas selbst 10.655 Maschinen, dazu wurden Tausende in Lizenz montiert. Die genaue Zahl ist umstritten, doch dürften zwischen 15.000 und 17.000 Maschinen gebaut worden sein.

"Die DC-3 ist das einzige Flugzeug, das seine Erstflieger überlebt und deren Söhne in Pension befördert hat", zitierte der SPIEGEL 1985 den amerikanischen Luftfahrtexperten Paul Dean, "und sie wird zweifelsfrei auch die Enkel der Testpiloten von 1935 überdauern, die gerade lernen, sie zu fliegen."

30 Jahre später spricht wenig dagegen, dass auch die Enkel ihrer heutigen Piloten noch eine DC-3 am Himmel sehen werden. Die US-Flugzeugschmiede Basler fertigt seit 1990 aus alten DC-3 modernisierte Versionen für den Einsatz unter extremen Bedingungen. 58 dieser auf den Stand der Zeit gebrachten DC-3 sind derzeit im Einsatz. Auch die Arktisflieger des Alfred-Wegener-Instituts sind bis zu 80 Jahre alte, modern aufgerüstete Douglas-Maschinen. Doch wie erklärt sich dieser Erfolg?

Die Maschine, die jeder fliegen konnte

Für ihre Zeit war die DC-3 nicht nur leicht und genügsam, sondern auch ungewöhnlich einfach zu beherrschen. Ihr Design war so ideal, dass sie quasi zum Prototyp des modernen Passagierflugzeugs wurde. Vor allem aber war sie das ideale, schnell in großen Stückzahlen verfügbare, leicht kontrollierbare Flugzeug für die Massen viel zu eilig ausgebildeter Weltkriegspiloten.

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Das Militärische lag der 1921 gegründeten Douglas Aircraft Company nah. Donald Wills Douglas hatte am Ende des Ersten Weltkriegs erkannt, dass kein Krieg mehr ohne Luftwaffe zu gewinnen war. Der erfahrene Flugingenieur wollte am erwarteten Boom teilhaben. Er konstruierte einen Frachtflieger, der als erstes Flugzeug überhaupt mehr Last tragen konnte, als er selbst wog. Binnen weniger Jahre wurde die Firma so zu einem führenden Zulieferer der US-Luftwaffe.

Als mit der Weltwirtschaftskrise die Rüstungsausgaben sanken, stellte Douglas auf zivile Flieger um. Eine Gesetzesänderung, die Fluggenehmigungen für Holzflugzeuge in den USA erschwerte, ebnete ihm den Weg: Seinen Prototypen DC-1 von 1933 fertigte er wie das folgende Serienmodell DC-2 aus Aluminiumblechen. Die DC-2 wurde sofort zu einem Erfolg. Mit einem Abstrich: Der Fluggesellschaft TWA, die sie in Auftrag gegeben hatte, war sie mit 14 Kabinenplätzen zu klein.

Der "Käfer" unter den Kriegsmaschinen

So bekam Douglas' Chefentwickler Arthur Emmons Raymond 1934 den Auftrag, eine Großversion der DC-2 konstruieren. Die "Douglas Sleeper System" sollte Platz für Betten bieten. Raymonds Lösung: die DC-3.

Bald darauf kündigte sich der Krieg in Europa an, die Nachfrage nach Frachtfliegern und Bombern stieg. Douglas besann sich auf seine Wurzeln - und die DC-3 zeigte, wie flexibel sie sein konnte. Bald gab es vergrößerte und verlängerte Varianten, Frachtflieger mit mehr Lade- und Personenkapazität und DC-3 mit Kufen statt Rädern, um kalte Klimazonen zu bedienen. Die ausgelieferten Stückzahlen schossen in ungekannte Höhen.

So trugen allein am D-Day mehr als tausend C-47-Maschinen, die militärische Variante der DC-3, rund 50.000 Fallschirmjäger über den Ärmelkanal. Für Dwight D. Eisenhower, General im Weltkrieg und später US-Präsident, gehörte dieses Flugzeug zu den kriegsentscheidenden Faktoren. Die US-Luftwaffe setzte noch weitere 20 Jahre auf dieses "Kriegs-Arbeitspferd".

In Deutschland erinnert man sich aus anderen Gründen gern an die DC-3. Hier ist sie als einer der "Rosinenbomber" bekannt, mit denen die West-Alliierten die Blockade Berlins durch die Sowjetunion vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 durchbrachen. Schon da stieß dieser VW-Käfer der Lüfte jedoch an seine Grenzen. Zu gering war die Ladekapazität, und auch in der zivilen Luftfahrt der Industrienationen wurde die DC-3 bald nur noch auf Kurzstrecken gebucht - und nach und nach ausgemustert.

"Kyilla" hingegen, Australiens erste DC-3, nahm ein tragisches Ende. Aber selbst das unterstreicht noch einmal die robuste Natur dieses Fliegers: Am 29. Dezember 1945 zwang schlechtes Wetter "Kyilla" zu einer Landung in Mangalore. Die Wolken hingen tief, und im Anflug verloren die Piloten Sichtkontakt zu den Lichtern der Landebahn. In völliger Finsternis schlug die DC-3 mit Wucht auf. Sie rutschte über den Boden eines Brachgeländes und kollidierte mit mehreren Bäumen, bis sie zum Stillstand kam.

Auf den letzten Bildern sieht man sie leicht schräg liegen, mit zerfetzten, abgetrennten Tragflächen und aufgerissener Außenhülle.

Kein Mensch wurde verletzt.

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Author: Patricia Veum II

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